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Über das Schreiben

1. Wird A gefragt, was sie macht, antwortet sie präzise: Lesen und Schreiben.

2. Das Schreiben, sagt A zu einem fleißigeren Kollegen, ist die befriedigendste Arbeit, die ich kenne. Aber es gibt so viele andere Möglichkeiten. Aus einer befriedigenden Arbeit läßt sich die Haltung für andere befriedigende Arbeiten lernen. Befriedigung ist übrigens ein ganz karges Wort, weißgekalkt. Zeugniswort. Also Spaß und Lust. Lust schweift A in Gedanken ab, malt sich insgeheim aus, wie sie ihrem Liebsten das Ohr küßt, wenn man eine Muschel ans Ohr hält, hört man das Meer rauschen, sie hört nichts mehr von außen, jetzt dreht sich alles, sie sieht nur noch einzelne Ausschnitte auseinanderfallen, sie sind beide am selben Mittelpunkt. Schreiben ist zum Mittelpunkt abschweifen, sagt A.

Das ist ein guter Buchtitel, meint der Kollege.

A sitzt auf dem Balkon, am dottergelben Klapptisch. »Dottergelb«, das Wort hat sie von einer Färbeanleitung, smaragd, rubin, birke, schiefer, heißen da die Farben, tausendundeine Nacht aus der Waschmaschine. A's Ohren sind zu bedauern. Sie haben den Straßenlärm, das Bohren und Klopfen der Handwerker, das Türschlagen zu überhören, um offen zu sein für die unbefestigte Landschaft von A, die die Augen schließt, und sich vorstellt: sie sitzt auf dem Boden, fällt zurück, Gras, Erde, darüber ein ungestörter Himmel.

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