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Vorstellung einer Stadt
Diese Stadt ist die offensichtliche Verschwendung und die versteckte Armut zugleich, was ein und dasselbe ist. A steht auf einem weiten Platz, über den Menschen laufen mit Aktentaschen und edlen Socken. Im Winter sind die Springbrunnen abgelassen. A hat sich eine Geschichte erfunden, als sie im Winter in die Stadt kam. Die Stadt ist ihre Gegen-Stadt, in ihr soll alles möglich sein, wofür zu Hause kein Platz ist, ganz so, wie sie es sich daheim auf dem Bett vorgestellt hat. Die Stadt als Bett der Träume.
A will zuerst immer zu diesem Platz, einem Herrschaftsplatz, provozierend und zugleich entmutigend in seiner Stein gewordenen Üppigkeit. A schlägt in Gedanken die Geschichtsbücher auf. Truppenaufmärsche, Lustgärten, der mörderische Kuchen der Marie-Antoinette, das Museum der zusammengeraubten Kunstschätze, bürgerliche Revolution, die Tage der Kommune, Nazibesatzung. A weiß zu wenig, das Wenige durcheinander und dazwischen die Bilder, deren Herkunft ungewiß ist, wie die grobleinenen, dunkelbraunen Röcke der revolutionären Arbeiterinnen, die sie sich vom Mädchenzimmer aus vorgestellt hat. Einmal war A hier, da wurde der Park zugesperrt. Die Menschen wurden von in Dreierreihen marschierenden Polizisten zusammengetrieben, den ganzen Kai entlang standen Busse mit Polizistennachschub, Straßensperren, und A mußte fünfzig Meter vor dem verabredeten Treffpunkt feststellen, daß ein Durchkommen nicht möglich war. Sie wurde in eine entfernte Ecke zum Ausgang gedrängt, fand gerade noch zur letzten U-Bahn, die den Verkehr danach einstellte. Ein Staatsgast wurde erwartet.
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