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A geht in die Küche, öffnet den Kühlschrank, holt einen Salatkopf heraus. Läuft auf den Balkon, zupft Kräuter, wieder zurück in die Küche, öffnet nochmal den Kühlschrank, entnimmt eine Zitrone. Sie bindet ihr Haar zusammen und legt eine italienische Kassette ein. Ihre Finger duften, ein kräftiger herber Geruch. Die Verwandlungen: wie die ausgelaugte Zitronenhülle zurückbleibt, der helle Saft aus der Plastikpresse fließt, sie mit einem Messer Fruchtfleisch aus der Presse schabt, einige Kerne mitruschen. Gabriella Ferri singt, A denkt sich einfaches Leben nach Italien, in eine fiktive, stickige, autoüberladene Stadt. Anderswo sei es einfacher sich anzupassen, überlegt A. Die Menschen so zu lassen, wie sie sind, und die Unterschiede nebeneinanderzustellen, ohne von vornherein entschieden zu haben, gelte für einen aufgeklärten Urlauber als kritisches Bewußtsein. Dieselbe neugierige Gelassenheit im eigenen Land aber ist schwierig, fast unerreichbar. A ist den Übergängen verhaftet. Den Tagen nach einer längeren Reise, wenn die Wohnung, um die mitgebrachten Räume erweitert, größer geworden ist, die wiederaufgenommenen Gewohnheiten Anfänge sind.
Es ist Mittag geworden. Die Sonne fällt über den Hof her, dörrt die Mülltonnen. A nimmt die Schüssel mit dem Salat, ein Glas Rotwein und den Kassettenrecorder und geht ins Schlafzimmer. Bereitet alles auf dem Bett aus und ißt mit den Fingern. Die Kassette bricht abrupt ab. Das Fenster läßt jetzt wieder die Mittagsgeräusche ein, Verdauungsgeräusche, denkt A.
A hält im Sommer das Fenster immer geöffnet. Damit die Wolken besser hereinfliegen können, stellte sie sich als Kind vor, aber die stießen sich an den Möbeln an und bekämen blaue Flecken, gab die Mutter zu bedenken.

Heute ist ein ganz gewöhnlicher Tag, schreibt A in ihr Notizbuch für unsinnige Sätze.

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