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Geschichte für ein Badewannenbuch

»Sie strahlen so!«
»Das Hoch über den Azoren«.

Im Zweifelsfall liegt's am Wetter, meint Bert. Das Wetter ist der billigste und unerschütterlichste Sündenbock. Immer greifbar.

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A sitzt auf dem Balkon vor ihren Papieren und hört: please Mrs. Robinson. Zwei Männer, die ein Haus weiter auf einem Gerüst arbeiten, haben ihren Kassettenrecorder aufgedreht. An einem Abend, an dem nichts zu erwarten war, hat A den Film zum Lied gesehen, in einem Kino mit abgewetzten Samtsesseln und abendlich wechselnden Filmen, die vor zehn Jahren Kassenschlager waren. Der Film war ihr harmlos und langweilig erschienen und als sie mit einem Freund darüber sprach, war der schmerzlich berührt. Er hatte damals Wünsche in ihm geweckt, wunde Stellen geöffnet. Wie sehr sich Menschen einsperren, damit ein Film solche Sehnsüchte aufzureißen vermag, denkt A. Sie weiß von sich selbst, daß sie von schnulzigen Liedern verwirrt wird, wenn sie nur ausreichend frustriert ist. Ansonsten hört sie Schlager allenfalls aus fremden Radios, wenn sie im Sommer durch die Stadt läuft. So gefiltert erscheint ihr die Musik als ein Zeichen von Lebendigkeit, wo sie sich doch sicher ist, daß sie Traurigkeit anzeigt. Die Musik eines Volkes als Maßstab für seine Traurigkeit.
A will in einer Arbeit über die Wünsche den umgekehrten Schluß ziehen: die Wünsche Auskunft über das Maß der Unfreiheit geben lassen, aus den Leidenschaften und Abenteuern, den Zufluchtsorten der Träume in den Kultbüchern, die Enge spüren können, aus der sie entstehen.
A ist eine begeisterte Heiratsannoncenleserin. Wie sich Menschen vorstellen. Wie sie in ihren Körpermaßen und Gewichten gefangen sind. Und wie stur sie sich stellen, als wollten sie den potentiellen Partner an der Tür vermessen und davon Einlassen oder Abweisen abhängig machen. Ob jemand zu einem paßt.

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