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Eine wirkliche Stadt
Manchmal läuft A einfach los, ziellos in die Stadt hinein. Sie hat feste Schuhe angezogen, Papier eingesteckt, eine Zeitung. A geht durch die Seitenstraßen, schaut den kleinen Geschäften ins Fenster, liest die Illustriertentitel, wer wen liebt und wer sich besser scheiden ließe, hört im Vorbeigehen Bruchstücke aus Scheltgesprächen. Manchmal trifft sie im Supermarkt einen Bekannten, der ein paar Häuser weiter wohnt, sie schimpfen gemeinsam, über die zu großen Einkaufswagen gebeugt und gehen befriedigt auseinander.
Jetzt ist A aus ihrem Stadtteil raus, überquert die Straßenschneise, rechts und links Bürobauten, Verwaltungsflanell, Frisuren, denen man die Lust an Vorschriften ansieht. Ja, ihre Stadt ist eine ordentliche Stadt, eine gescheitelte Stadt. Weiter vorn, linkerhand die Brezelbäckerei, dann der Marktplatz, aus Gründen der historischen Wahrhaftigkeit ohne Bäume, nur Stein.
Dies ist die Stadt ihrer Kindheit.
Sie bestand für A, die etwas außerhalb wohnte, zunächst aus der Weihnachtsbeleuchtung, den Springbrunnen, dem Bahnhof, wenn die Großeltern abgeholt wurden, dem Jahrmarkt. Dann der Schule, in der der Vater unterrichtete, dem Feinkostladen des Großvaters. Dann aus den Kleiderläden und pfeifenden Jungen, aus der Tanzschule, aus den Versammlungen und anschließenden Kneipen.
Nach den Verwaltungsgebäuden die Geschäftsstraße. Hinter der Geschäftsstraße das Schloß. Mit künstlich angelegtem Teich im Park und festgeschraubten Stühlen.
Der Bürgersteig ist mit einem Strich in der Mitte in einen Fahrradweg und einen Gehweg verbreitert worden. A geht an der äußersten Seite des Fahrradwegs, fast schon auf der Straße. Ein Fahrradfahrer klingelt, sie eröffnet ihm mit einer Handbewegung dreiviertel des Fahrradweges und den ganzen Fußweg. »Ich darf hier nicht fahren«, entschuldigt sich der Fahrradfahrer. »Sie dürfen!« erwidert A und nickt ihm aufmunternd zu.
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